Der tägliche Teufelskreis des hyperaktiven Kindes
 
„Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem hyperaktiven Kind, denn es ist ein besonderes Kind.“
 
Wenn ich Sie als Eltern heute so begrüße , so besteht bei einigen von Ihnen sicher das dringende Bedürfnis, zu verschwinden, weil sie das Gefühl haben, am falschen Ort, im falschen Gespräch zu sein. - Aber, ich versichere Ihnen:“ Sie sind genau am richtigen Ort und werden hoffentlich dazu beitragen, dass es auch das richtige Gespräch wird.“
 
Hyperaktive Kinder sind überaus anstrengende Kinder, die sich, ihrer Familie und ihrer Umgebung oft das Leben schwer machen. Ich will diese Probleme auch gar nicht klein reden, denn ich kenne das Leid vieler Eltern und habe es wochen-, monate- und manchmal auch jahrelang begleitet, bis wir endlich die ersten Lichtblicke erkannten.. Sie sehen, ich verspreche Ihnen keine schnellen Lösungen, wie sie manchmal leichtfertig von einigen Medizinern versprochen werden, sondern ich verspreche Ihnen harte, intensive Arbeit, die Spaß macht, weil sie nicht nur an und mit Ihrem Kind völlig neue Seiten entdecken, sondern weil pädagogische Arbeit meiner Auffassung nach immer aus geben und nehmen besteht und so auch Sie großen Profit von der Arbeit Ihres Kindes und von der Arbeit mit Ihrem Kind haben können.
 
Um aber zunächst einmal das Kind zu verstehen, müssen wir uns seine Lebenswelt aus seiner Sicht anschauen. Vergessen Sie einmal für einen Moment, dass Sie der Erwachsene sind, der viel Erfahrung im Leben gemacht hat und deshalb auch Zusammenhänge erkennen kann. – Begeben Sie sich in sie Welt des unerfahrenen Kindes, das noch wenig von Zusammenhängen weiß, dass sich am Vorbild der Eltern eng orientiert und das auf Lob angewiesen ist, aber auch Grenzen braucht, an denen es sich reiben kann und die es vor Gefahren schützen.
 
Dieses Kind steckt gleich in mehreren Teufelskreisen, die es zu durchbrechen gilt.
 
1. Teufelskreis: Dem Kind fällt es schwer, sich wegen seiner Erkrankung auf die von ihm erwarteten Verhaltensweisen zu konzentrierten. Trotzdem gibt es sich alle Mühe und hat auch in winzigen Teilen Erfolg. Die Eltern bzw. Erzieher dagegen richten ihr Augenmerk auf das, was schon wieder alles schief läuft. Statt des erwarteten Lobes für kleine Teilziele, folgt Tadel und das wiederholt sich mit schöner Regelmäßigkeit, bis das Kind, die Eltern und die Erzieher endlich nicht mehr weiter wissen. - Jeder von ihnen kann seinen Teil davon erzählen, dass das Kind ja schon immer schwierig war und letztendlich haben die Erwachsenen die Lösung, den Strohhalm, an dem sie sich klammern. Sie lesen, hören über ADS oder über Hyperaktivität und wissen jetzt endlich: „Das Kind ist krank.“ Also wird es zum Arzt gebracht und der soll dem völlig frustrierten Kind eine Pille geben, damit es endlich wieder normal, das heißt für die Erwachsenen, wie andere Kinder ist. Die bisherige Frustration der Mutter, der Eltern schlägt in Hoffnung um, dass nun alles gut wird.
Oft fängt hier das Märtyrium des Kindes jedoch erst richtig an. Der Arzt befindet das Kind für völlig gesund und empfiehlt den Eltern „nur etwas härter durchzugreifen“ und „dann wird sich das Problem schon wieder lösen“. Zu allem Überfluss gibt es dem Kind noch mit auf dem Weg sich doch endlich etwas mehr Mühe zu geben und den Eltern nicht mehr soviel Kummer zu bereiten.
Die Eltern und auch das Kind werden mit jedem neuen Fehlschlag erschöpfter und demotivierter. Bei Kindern schlägt das nicht häufig in Aggression oder Autoaggeression (Aggression gegen sich selbst) um, was die Situation sicher nicht einfacher macht. – Oft beginnt nun auch für die Eltern und das Kind ein ganzer Ärztemarathon, der anstrengend und nutzlos ist, wenn sie nicht zufällig an einen geraten, der nicht nur die eigentlichen Ursachen des Dilemmas aufdeckt, nämlich dass ADS mit oder ohne Hyperaktivität eine ernstzunehmende, zu behandelnde Krankheit ist, sondern der auch die diagnostischen Möglichkeiten hat, um nahe verwandete Nebenerkrankungen auszuschließen und der schließlich die richtigen Therapeuten bzw. Pädagogen kennt, die bereit sind mit der ganzen Familie an dem Problem zu arbeiten, denn das ist unbedingt notwendig, um jahrelang eingeschliffene Verhaltensweisen in der Familie aufzubrechen und durch neue, lustorientierte zu ersetzten. – Das hört sich einfach an, ist aber ein harter Arbeitsprozess für alle Mitglieder der Familie - Hierzu gehört vor allem das, was sich viele Mütter oder Eltern nicht eingestehen, weil es in Deutschland als beinahe ketzerisch gilt, sein eigenes Kind nicht genug lieben zu lernen. Die Eltern und auch ggf. die anderen Familienmitglieder bzw. Erzieher müssen das Kind neu lieben lernen, so wie es ist, mit all seinen tollen Seiten, aber auch mit seinen Schwächen, die, wenn wir doch nur ehrlich sind, jeder Mensch hat.
 
2. Teufelskreis:  Zu den beschriebenen Schwierigkeiten kommt oft ein zweiter Teufelskreis hinzu, der nicht nur die Krankheit verschlimmert, sondern auch das Kind zunehmend verunsichert:
 
(Frei nach „Der Struwwelpeter – Die Geschichte vom bösen Friederich“)
 
Die Geschichte vom bösen Hyperli
Pfui gellt es in Wogen,
ist der doch unerzogen!
Der Hüperli, der Hüperli,
das ist ein arger Rüperli.
Er schlägt die Stühl und tritt das Kind
und läuft dann auch noch fort geschwind.
Die Eltern leiden große Not,
wünschten manchmal gar sie wären tot.
Und höre nur wie bös`er ist,
denn gestern erst den Lehrer er biss.
Lehrer, Eltern, Kinder strafen ihn nun immer mehr
und der Hyperli ist nun traurig gar sehr.
Er tobt und schreit und weint bald ständig wie verrückt,
weil sonst kein Mensch mehr zu ihm blickt.
Die Eltern werden durch ihr zugegebenermaßen sehr anstrengendes Kind immer erschöpfter. Alles, was sie bisher über Erziehung gehört und gelesen haben, haben sie mit mehr oder weniger Überzeugung ausprobiert und nichts hat wirklich gefruchtet. – Die Erschöpfung der Eltern führt oft dazu, dass sie letztendlich dem Quängeln, Schreien und Drängeln des Kindes nachgeben, einfach nur um endlich Ruhe zu haben, mit anderen Worten: Sie sind inkonsequent. – Die momentane Ruhe, die die Eltern erreicht haben ist jedoch mehr als trügerisch, denn das Kind lernt schnell, dass es nur genug Palaver machen muss, nur lange und möglichst laut genug auf seinem Wunsch besteh muss, damit die Eltern nachgeben. Also wird es immer lauter, immer hektischer oder auch einfach nur immer impertinenter. Hier schließt sich der zweite Kreis, weil die Symptome sich verstärken und zur immer schnelleren und stärkeren Erschöpfung der Eltern führen.
 
3. Teufelskreis: Das Ganze hat zur Folge, dass die Eltern immer häufiger und heftiger mit dem Kind schimpfen und es strafen. Das Kind fühlt sich abgelehnt, ungeliebt und ist es zumindest zeitweise faktisch auch. – Es möchte aber die Liebe und die Aufmerksamkeit der Eltern, womit der dritte Teufelskreis seinen Lauf nimmt. Da das Kind kaum in der Lage ist, Regeln einzuhalten, Abmachungen zu befolgen, wird es also auch nicht gelobt, in den Arm genommen. Folgerichtig ist die einzige Möglichkeit, die Aufmerksamkeit der Eltern zu erreichen, wieder etwas anzustellen, was sie aufmerksam macht, was sie zwingt, sich mit ihm zu befassen. Das gelingt dann tatsächlich auch, allerdings nicht, dass die Erwachsenen dem Bedürfnis des Kindes nach liebevoller Aufmerksamkeit nachkommen, im Gegenteil, sie strafen ihr Kind, sie schimpfen und leider muss auch das festgestellt werden, toben sie häufig. Aber, und das ist ganz wichtig, dass Sie als Eltern sich das klar machen:
Auch negative Zuwendung ist Zuwendung.“

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